Bauanatomie 19 

 

In der Einleitung wird seine Sichtweise des Bauens deutlich:

"Bis zum Beginn des 19. Jahrhundert bildeten die Kenntnisse handwerklichen Bauens die selbstverständliche Voraussetzung baukünstlerischen Schaffens. Mit der Aufhebung der Zünfte begann die Entwicklung der Technik auf wissenschaftlicher Grundlage. ...Die Statik entwickelte sich zu einer Wissenschaft, mit deren Hilfe alle Kräfte einwandfrei bestimmt und alle Bauteile so bemessen wurden, dass sie den Forderungen der Standfestigkeit genügten. Die Forschungen der Physik und Chemie erweiterten die Kenntnisse der Baustoffe, verbesserten sie und fügten neue hinzu, z.B. Zement. Früher kostbare Baustoffe wurden durch die fortschreitende Technik so verbilligt, dass sie heute zu konstruktiven Baugliedern verarbeitet werden, z.B. Eisen und Stahl. Die Maschinenarbeit verkürzte die Arbeitszeit und lieferte einzelne Bauteile als Industrieprodukt - Schlösser und Beschläge. Diese Entwicklung ist noch nicht zum Abschluss gekommen.

Der fruchtbaren Einwirkung von Wissenschaft und Technik auf das Bauen steht ihr ungünstiger Einfluss auf das Handwerk gegenüber. Die in tausendjähriger Übung organisch gewachsenen Bauhandwerke verkümmerten unter der technisch - wissenschaftlichen Einstellung der neuen Schulen...

Ästhetik und Kunstgeschichte gewannen über die technischen Schulen und die Tagespresse Einfluss auf die Baukunst. Form- und Stilfragen traten beim Architekten wie beim Publikum in den Vordergrund. Das Bauen wurde eine untergeordnete technische Angelegenheit, gut genug, um den 'Entwurf' schlecht und recht in die Wirklichkeit zu übertragen. Verschandelte Städte und Dörfer sind das Resultat dieser wissenschaftlichen Einflüsse auf Handwerk und Baukunst, und das Ende ist noch nicht abzusehen, denn auch heute wird noch mehr 'entworfen' als gebaut. Zweifellos wächst aber das Interesse für die technisch-handwerkliche Seite des Bauens und wird dazu führen, dass das Bauen wieder zur Grundlage der Baukunst wird.

Aus dem Wunsch, diese Entwicklung zu fördern, ist die 'Bauanatomie' entstanden. Sie will vor allem wieder Freude am baulichen Schaffen, ohne Rücksicht auf stilistische und formale Gesichtspunkte, erwecken und dem Studierenden das Gefühl vermitteln, dass Bautechnik und Form nicht zu trennen sind...

... in der 'Bauanatomie' [wird] der Versucht gemacht..., dem Gedankengange des Architekten zu folgen und den Bau als die Synthese der verschiedenen Arbeitsleistungen zu betrachten... ,die einzelnen Bauteile [werden] als fertige Produkte aller daran beteiligten Handwerker dargestellt. Auf lückenlose Aufzählung aller Konstruktionen wurde verzichtet, denn die Bauanatomie will zu selbständigem unvoreingenommenen konstruktiven Bauen anleiten und kein bequemes Nachschlagebuch mit Maßen und fertigen Rezepten für Denkfaule sein."

Für Studenten und Praktiker des Bauhandwerks schrieb er 1928 dieses Werk, die Zeichnungen erstellte der Graphiker Walter Klinkert

Eine Rezension Rezension 35 dieser Neuerscheinung schrieb Wolfgang Goetz

Die von ihm erwartete Renaissance des Bauens als Einheit von Handwerk und Technik ist sicherlich nicht eingetreten. Sein Werk kann jedoch auch heute noch für den Bauhandwerker, der sich der Restaurierung alter Bauwerke widmet, von großem Nutzen sein.

Einige Beispiele aus diesem Werk illustrieren den Charakter dieses seinerzeit neuartigen Fachbuchs.