Neuer Standortfriedhof Lilienthalstraße, Berlin-Neukölln

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Außerhalb der bisherigen Entwicklung steht ein Bau, welcher ganz und gar die offizielle Richtung seiner Zeit vertritt, die Feierhalle auf dem Militär-Standortfriedhof Lilienthalstraße, an der Westgrenze des Verwaltungsbezirks Neukölln (Abb. 108, 109). Man denkt sofort an Wilhelm Kreis. Aber nicht er war der Urheber des 1941 geweihten Gebäudes, sondern Wilhelm Büning; diesen Architekten kennt man als Schöpfer gut gestalteter Villen des Kaiserreiches und vor allem als einen der drei Erbauer der berühmten Weißen Stadt in Reinickendorf (1929-1931). Was die Feierhalle betrifft, bewegte er sich ganz in den Bahnen des von den führenden Bauleuten des Tausendjährigen Reiches propagierten Stiles. Man suchte damals den Anschluss an die Frühromantik, also an die Kunst des Kreises um Friedrich Gilly und Heinrich Gentz. Das war im 20. Jahrhundert nichts grundsätzlich Neues; 1908 hatte Paul Mebes sein berühmtes Buch „Um 1800“ veröffentlicht und damit der modernen Baukunst den Weg gewiesen (vgl. BusB IV A 1970, S.88). Aber - abgesehen davon, dass diese Entwicklungsphase längst vorbei war und abgesehen davon, dass Mebes alles andere als einem Historizismus das Wort geredet hatte – jetzt in der Zeit des Generalbauinspektors Speer wurde das den Baumeistern des Gilly-Kreises eigene feine Maß missachtet und die an sich höchst edle Form in einen Gigantomanismus hineingetrieben; sie sollte nur noch als „humanistisches Alibi“ dienen, wie es Hans Sedlmayr genannt hat. Wenn die Feierhalle des Standortfriedhofes von diesen Entartungserscheinungen frei geblieben ist, so liegt das eben daran, dass hier das Maß gewahrt ist. Büning war ein guter Gestalter, er brachte auch dann noch Schönes zu Stande, als er sich hier zweifellos den Forderungen des damaligen „Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt“ zu fügen hatte. Für jeden, der sich dem Bauwerk unvoreingenommen nähert, zeigt es sich tatsächlich als das, was die damalige Theorie grundsätzlich forderte und die Praxis in der Regel nicht erreichte, nämlich als würdevolles, seiner Aufgabe angemessenes Gebilde. Die architektonische Idee ist folgende: durch ein wuchtiges, dennoch feingliedriges Tor soll der Trauerzug den Bereich der Welt und des Lebens verlassen, über wenige Stufen aufwärts steigen zu der aus Quadern errichteten, monumental aufgefassten Feierhalle, dem Tempel des Vaterlandes; dessen Inneres wird von oben belichtet, ist damit von dem umgebenden Alltag abgeschlossen, empfängt sein Licht aus höheren Regionen, öffnet sich gleichsam zum Geistesreich. Die Gesamtanlage ist streng symmetrisch geordnet. Das Blockhafte der Außenarchitektur wie auch das unübertreffbar einfache (aber nicht Nüchterne) des Innenraumes stimmen sowohl zu den baukünstlerischen Ansichten der Frühromantik als sie auch an die vorangegangene Phase in Bünings Schaffen anknüpfen, wenn auch unter erheblich geänderten Bedingungen. Ein sogenannter Nazibau, der eigentlich keiner ist, oder, wenn man will, der einzige künstlerisch nicht misslungene.

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Wie im Modell erkennbar, sollten Kuben die Säulengänge abschließen, sie wurden nicht gebaut. Durch ihre Proportionen hätten sie die Ausmaße der Feierhalle relativiert.

Modell Eingang Eingang Feierhalle Feierhalle